Die Situation in der Schweiz ist gravierend. Kinder und Jugendliche brauchen jetzt mehr Unterstützung.
#MentalHealthAwarenessMonth
Ein Beitrag von Marc Rüdisüli, Präsident Die Junge Mitte Schweiz
Die psychische Gesundheit ist ein kostbares Gut, welches in der Hektik des Alltags oftmals vergessen geht, obwohl sie sich stark auf die körperliche und emotionale Befindlichkeit auswirkt. Psychische Instabilität führt zu grösseren Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen und führt auch zu erhöhter Selbstmordgefahr. Mögliche Ursachen dafür sind vielfältig. Sie können auf die Vererbung, instabile Familienverhältnisse, ein traumatisches Erlebnis oder oftmals eine Kombination von Gründen zurückzuführen sein. Der permanente Leistungsdruck in der Schule, Lehre, Universität oder auch am Arbeitsplatz kann ebenfalls mentale Probleme auslösen. Diese Last kennen Jugendliche und junge Erwachsene in der Schweiz nur zu gut. Zusätzlich ist besonders die junge Generation durch Social Media ständigen Vergleichen des eigenen Körpers, Aussehens oder Lebensstils ausgesetzt. Diese permanente Belastung führt bei Jugendlichen neben den alltäglichen Sorgen des Erwachsenwerdens zu psychischen Leiden. Auch deswegen verzeichnete die Schweiz bereits vor Ausbruch des Coronavirus eine überdurchschnittlich hohe Suizidrate unter Jugendlichen.
Die Pandemie katalysierte die bereits bestehenden Probleme zusehends. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Jugendliche und junge Erwachsene über alle Altersgruppen betrachtet von den Folgen der Corona-Krise psychisch am meisten belastet sind. Vor allem die sozialen Einschränkungen und die erhöhte Mediennutzung während der Pandemie haben bei den jungen Generationen ihre Spuren hinterlassen. Der verbreitete Einzug des Homeoffice und Onlineunterrichts liess die Grenzen zwischen dem Privat- und Arbeits- bzw. Schulleben weiter verschwimmen. Mit dem stets griffbereiten Smartphone kann einfach und schnell noch ein Mail verschickt, ein Anruf gemacht oder eine Nachricht gelesen werden, auch wenn man nicht am Arbeiten oder in der Schule ist.
Da das Thema in der Gesellschaft tabuisiert wird, fällt es Jugendlichen und jungen Erwachsenen zusätzlich schwer, über ihre Belastungen zu sprechen und sich professionelle Hilfe zu suchen. Doch sogar, wenn man seine Situation von Fachkundigen abklären lassen möchte, ist dies momentan kaum in angemessenem Zeitrahmen möglich. Die Wartelisten in den Kinder- und Jugendpsychiatrien wachsen im ganzen Land an und Ärztinnen, Ärzte und Fachverbände warnen bereits seit Jahren vor der sich zuspitzenden Lage. Solche Warnrufe verhallten jedoch grösstenteils ungehört. Dies, obwohl die psychotherapeutische Versorgung von Kindern und Jugendlichen teilweise dermassen ungenügend ist, dass sie in Erwachseneninstitutionen untergebracht werden müssen. Eine rasche und kompetente Behandlung von psychischen Problemen ist so nicht möglich. Dies spannt die Situation weiter an. Leidtragende sind Jugendliche und Kinder.
Die Junge Mitte fordert deshalb eine unbürokratische Verbesserung und einen raschen Ausbau der niederschwelligen Hilfs- und Therapieangebote. Die Beratungskanäle müssen überall und auch in den Spitzenzeiten für alle erreichbar sein und die Versorgungsstrukturen in der ambulanten und stationären Kinder- und Jugendpsychiatrie müssen gestärkt und ausgebaut werden. Diese läuft bereits seit vielen Jahren über der Belastungsgrenze und muss deshalb entlastet werden. Durch die langen Wartezeiten für ambulante und stationäre Behandlungen erhöht sich die Gefahr, dass sich akute psychische Probleme zu chronischen psychischen Störungen verschlimmern. Diese dann zu therapieren kostet weitaus mehr als die präventive Stärkung des Erstangebots. Grundsätzlich darf zudem die psychische Gesundheit der jüngsten Mitglieder unserer Gesellschaft kein weiterer Budgetposten sein, der nach Belieben gekürzt werden kann.
Doch das beste Angebot nützt nichts, wenn die Betroffenen nicht wissen, dass es vorhanden ist. Fast die Hälfte der Jugendlichen kennen die Anlaufstellen nicht, die sie bei einer psychischen Überbelastung unterstützen würden. Dieser Wert ist alarmierend! Es braucht zusätzliche Mittel, um die niederschwelligen Erstberatungen bekannter zu machen.
Wir dürfen nicht wegschauen, sondern müssen psychische Belastungen ansprechen und behandeln. Helfen wir früh genug, um langfristige Konsequenzen zu verhindern und Betroffenen die Last zu erleichtern. Wir müssen jetzt die Probleme der jungen Generationen ernst nehmen und mehr Ressourcen in sie investieren.
Brauchst Du Hilfe?
- Dargebotene Hand: Tel. 143 (143.ch)
- Online-Beratung für Jugendliche mit Suizidgedanken: U25-schweiz.ch
- Angebot der Pro Juventute: Tel. 147 (147.ch)